Jugendgeschichtstage in Sachsen
Junge Spurensucher*innen aus Sachsen erforschen spannende Geschichte vor ihrer Haustür– ein Rückblick auf die 18. Sächsischen Jugendgeschichtstage
Sie begaben sich auf Spurensuche in ihrer Heimat, durchforsteten Archive und suchten das Gespräch mit Menschen, die ihnen Auskünfte gaben über eine Zeit, die sie selbst nicht miterlebt haben. Zum 18. Mal trafen sich junge Spurensucher*innen aus ganz Sachsen, um zu den Jugendgeschichtstagen im Sächsischen Landtag ihre vielfältigen Geschichtsprojekte aus ihren Regionen zu präsentieren.
19 Geschichtsprojekte wurden verwirklicht
Die Sächsischen Jugendgeschichtstage sind der Höhepunkt des Jugendprogramms „Spurensuche“ der Sächsischen Jugendstiftung. In diesem Förderprogramm gehen Jugendgruppen auf historische Forschungsreise. In Kooperation mit dem Sächsischen Landtag und unter der Schirmherrschaft des Landtagspräsidenten, werden die Jugendgeschichtstage als 2-tägige Veranstaltung ausgerichtet. Zwei Jahre mussten sie allerdings durch die Corona-Pandemie im Sächsischen Landtag pausieren. Deswegen war es ein ganz besonderes Ereignis den Plenarsaal wieder vollbesetzt mit Jugendlichen und die bunten Projektstände mit den vielfältigen Ergebnissen der Geschichtsprojekte zu sehen: Ausstellungen wurden konzipiert, Filme und Podcasts hergestellt oder Stadtrundgänge und Actionbound-Touren entwickelt. In diesem Jahr spürten insgesamt 19 Jugendgruppen aus allen Teilen Sachsens Geschichte auf, die so in keinen Geschichtsbüchern zu lesen sind – rund 150 junge Menschen haben sich mit ihren Projekten für ihren Heimatort engagiert.
Verschiedene Bildungsangebote am ersten Tag
Am ersten Tag wurden die jugendlichen Teilnehmenden dazu eingeladen, Geschichtsunterricht einmal anders zu erleben. Angeboten wurden fünf verschiedene Bildungsangebote in Form von Workshops, Lesungen und Exkursionen zu historischen Themen. Ein Workshop über eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte wurde vom Anne Frank Zentrum umgesetzt. Unter dem Titel: „Nicht in die Schultüte gelegt – Alltag jüdischer Kinder im Nationalsozialismus“ beschäftigten sich die Teilnehmenden mit dem Leben von Kindern und Jugendlichen, die von den Nationalsozialisten als Jüdinnen und Juden verfolgt wurden. In einer multimedialen Lesung mit Live-Musik und Originaldokumenten berichtete Geralf Pochop über sein Leben als Punk in der DDR und las aus seinem Buch „Untergrund war Strategie“. Realisiert und begleitet wurde diese Lesung von der Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau. Ein weiterer Workshop, entstanden aus einem Spurensuche-Projekt des letzten Jahres wurde mit dem JUGENDladen aus Rochlitz umgesetzt. Mit der Stiftung Sächsischer Gedenkstätten diskutierten die Teilnehmenden über jugendgerechte Formen und Formate der Erinnerungskultur und Diskriminierungen damals und heute. Außerdem standen ein Besuch des Digitalisierungszentrums und Kartenforums der Sächsischen Universitäts- und Landesbibliothek sowie ein Projekt in der Gedenkstätte Bautzner Straße auf dem Programm. Der erste Tag endete mit einer Feuershow vor der Schiffsherberge „Pöppelmann“, auf der die meisten Teilnehmenden übernachteten.
Auf dem Projekte-Markt wurden alle Ergebnisse vorgestellt
Mit der Eröffnung des Projektemarkts am Freitag durch die 1. Vizepräsidentin des Sächsischen Landtages Frau Andrea Dombois und einer Videogrußbotschaft der Staatsministerin des Ministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt Frau Petra Köpping wurde es mit fast 180 Spurensucher*innen sowie jungen und alten Gästen bunt im Sächsischen Landtag. In dieser Zeit präsentierten die Projektgruppen ihre Ergebnisse, konnte ein Quiz gelöst und über den Publikumspreis abgestimmt werden.
Die Jugendlichen stellten die entdeckten Schätze ihrer acht-monatigen Arbeit vor. Viele der Forscher*innen waren mit großem Gepäck angereist. Auch aufwendig gestaltete Broschüren, Flyer und Plakate wurden als Ergebnisse von den Projektgruppen auf den Jugendgeschichtstagen ausgestellt. So erforschten junge Spurensucher*innen aus Großenhain ihre Schule, die früher einmal ein Pferdestall war und dem 18. sächsischen königlichen Husarenregiment Großenhain diente. Sie staunten nicht schlecht, in welchem geschichtsträchtigen Haus sie lernen und entwickelten dazu eine kleine Ausstellung sowie einen Actionbound. In ihrem Projekt „Story of Falkenstein“ begaben sich die Jugendlichen auf Spurensuche quer durch die verschieden zeitlichen Epochen und Ereignissen ihrer Heimatstadt, fügten die wichtigsten historischen Details zusammen und erweckten historische Personen der Stadtgeschichte zum Leben. Ein Spurensuche-Projekt des Vereins Goerlitz 21 e.V. stand unter dem Titel "NS Lagersysteme in Görlitz 1933–1945". Mit ihrer Arbeit haben die Jugendlichen daran erinnert welchen Anteil die Menschen und Einrichtungen in Görlitz an Kriegsführung, nationalsozialistischer Unterdrückung und deren Verbrechen – etwa an den jüdischen Bürgern der Stadt – hatten. Im Rahmen des Projektes wurden die Ergebnisse der Spurensuche in einer Ausstellung dokumentiert.
Am Nachmittag erklang der Plenarsaal mit der Musik von RANY. Die beiden jungen Spurensucher Attila und Orlando Legolas aus dem Jugendladen Rochlitz, moderierten den Jugendgeschichtstag, führten souverän durch das Programm und verliehen den Publikums- und die Quizpreise. Das Rennen um den Publikumspreis war knapp. Letztendlich konnte das Spurensuche-Team aus Grimma mit dem Projekt „Wo sind die Handwerker? Wo sind sie geblieben?“ die meisten Gäste- und Teilnehmer*innen für sich gewinnen.
Drei Geschichtsprojekte wurden von der Jury prämiert
Ein ganz besonderer Höhepunkt war die Verleihung von drei Jugendgeschichtspreisen. Die Spurensuche-Jury, welche im März die Projekte bereits zu einer Förderung auswählte, prämierte drei herausragende Geschichtsprojekte mit einem Pokal.
Über diese Würdigung am Freitag-Nachmittag im Plenarsaal konnte sich das von jungen Fussballfans vorgestellte Projekt “Kick it like? – Frauen und Mädchen bei der BSG Chemie Leipzig“ freuen. Die Jugendlichen aus dem Fanprojekt Leipzig beschäftigten sich mit Mädchen und Frauen im selbigen Fußballverein zu DDR-Zeiten und stellten sie sich die Fragen: Wie erlebten Mädchen und Frauen den Leutzscher Fußball? Welche Rolle spielten sie im Verein. In der kleinen Laudatio hob die Jury vor allem die Besonderheit des Projektes vor: Frauen im Fußball ins Zentrum von Geschichtsschreibung zu stellen und sichtbar zu machen, gerade weil sie bisher in den Geschichtsbüchern nur eine sehr marginale Rolle gespielt haben – darin liegt die Stärke des Forschungsansatzes. Ein weiterer Preis ging an die Jugendlichen aus der Kulturfabrik in Hoyerswerda. Mit ihrem Projekt „Underdogs im Dock 28“ erforschten sie die Geschichte eines alternativen Jugendclubs in ihrer Stadt, der sich 1991 aufgrund von rassistisch motivierten Übergriffen gründete. Dafür knüpften sie über verschlungene Wege Kontakte zu Zeitzeug*innen, führten Interviews, blätterten durch alte Fotoalben und entwickelten einen Film. Die Jugendlichen der evangelischen Kinder- und Jugendarbeit Wurzen freuten sich ebenso über den Jugendgeschichtspreis. Sie beschäftigten sich in ihrem Projekt „GrenzGeschichten“ mit den Schicksalen polnischer Zwangsarbeiter*innen im Wurzener Land. Dabei studierten sie hunderte Seiten Briefverkehr und alte Friedhofspläne, durchsuchten tagelang Online-Archive und führten Zeitzeug*inneninterviews. Sie fanden heraus, dass 39 Zwangsarbeiter*innen auf dem Friedhof begraben wurden. An die aber über 160 Todesopfer in Wurzen und dem Wurzener Land möchten sie in einer Ausstellung und mit Gedenksteinen in Wurzen erinnern.
Wir sagen allen Gewinner*innen herzlichen Glückwunsch und allen Jugendgruppen und Projektleiter*innen ein dickes Dankeschön für die fantastischen Tage!
Wir bedanken uns außerdem bei allen unseren Partner*innen für die Ermöglichung des vielfältigen Programms der Jugendgeschichtstage, beim Sächsischen Landtag für die Ausführung und Unterstützung sowie beim Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt für die finanzielle Unterstützung!
Unsere Bildergalerien
Fotogalerie Jugendgeschichtstage 2022
(Fotograf Markus Lorenz und Thomas Schlorke)
Fotogalerie Jugendgeschichtstage Mai 2022
(Fotograf Markus Lorenz)
Fotogalerie Jugendgeschichtstage 2019
(Fotografin Laura Döring, Fotograf Stephan Floss und Sächsische Jugendstiftung)
Fotogalerie Jugendgeschichtstage 2018
(Fotograf Thomas Schlorke, Sächsische Jugendstiftung)